Generative AI ist in den Unternehmen angekommen: In 80 Prozent der Firmen nutzen Mitarbeitende bereits deren technologische Möglichkeiten – wenn auch meist noch in begrenztem Umfang. Grundsätzlich erwartet eine große Mehrheit mehr Effizienz durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, knapp die Hälfte rechnet auch mit einer signifikanten Verbesserung der Arbeitsqualität. Bei denen, die generative AI bislang gar nicht oder nicht intensiv nutzen, rangieren bei den Bedenken mögliche Risiken für die Datensicherheit und Unklarheit über die rechtlichen Auswirkungen ganz oben auf der Liste. Es ist daher nicht verwunderlich, dass drei Viertel der Firmen die Nutzung künstlicher Intelligenz durch Regelungen limitieren.
In einem Punkt besteht unter allen Befragten große Einigkeit: 90 Prozent halten einen umfassenden Überblick über den Einsatz generativer AI im Unternehmen für wichtig. Relevanz und Realität liegen hier jedoch weit auseinander: Nur 14 Prozent verfügen aktuell über entsprechende Informationen. In mehr als einem Drittel der Firmen werden diese Daten gar nicht erhoben oder es mangelt an klaren Zuständigkeiten für die Nachverfolgung. Dabei geben fast alle Befragten an, dass sie sich im Unternehmen mit einem Rahmenwerk für AI Governance befassen oder befassen sollten.
Offenbar sind diese Aktivitäten aber nicht ausreichend oder zielführend, denn insgesamt sehen sich nur 15 Prozent der befragten Unternehmen gut darauf vorbereitet, die existierenden und gerade entstehenden gesetzlichen Richtlinien für den Einsatz künstlicher Intelligenz einzuhalten.
Die Ergebnisse aus dem SAP LeanIX AI Survey 2024 zeigen: In punkto AI Governance gibt es in internationalen Firmen dringenden Handlungsbedarf.
Die Einführung generativer AI ist in ihrer Bedeutung vergleichbar mit dem Entstehen sozialer Medien, dem Launch des Smartphones oder dem Start des Internets, urteilen die Analysten von Forrester. Sie erwarten für die Technologie bis 2030 jährliche Wachstumsraten von 36 Prozent.1 Auch die von Gartner im Jahr 2023 befragten CIOs setzen auf künstliche Intelligenz: Drei Viertel werden schon 2024 ihre Investitionen in diesem Bereich steigern – und 80 Prozent berichten, dass ihre Unternehmen die vollständige Übernahme der Technologie innerhalb der nächsten drei Jahre planen.2 IDC geht davon aus, dass die weltweiten Ausgaben für AI-Lösungen in 2027 bei über 500 Milliarden US-Dollar liegen werden.3
Doch die Experten weisen auch auf die Schwierigkeiten hin, die kurzfristig die Verbreitung und den Produktivitätsgewinn generativer AI behindern werden – wie zum Beispiel die Unklarheit über Regulierungen, mögliche Fragen zu Eigentumsrechten oder ethische Bedenken.1
Wie sehen Unternehmen aktuell die Chancen, aber auch die Herausforderungen bei der Einführung generativer AI? Welche Maßnahmen haben sie bereits ergriffen oder geplant, um den möglichen Schwierigkeiten zu begegnen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des SAP LeanIX AI Surveys 2024.
Befragung internationaler IT-Experten zum Einsatz künstlicher Intelligenz
SAP LeanIX hat von Dezember 2023 bis Januar 2024 online Mitarbeitende in verantwortlichen IT-Rollen aus 226 Firmen seines globalen Kunden-Portfolios zur Nutzung und zum Umgang mit generativer AI befragt. Mit 67 Prozent machen Enterprise Architekten den größten Anteil in der Stichprobe dieser IT-Experten aus. 71 Prozent der Befragten arbeiten in Europa, weitere 19 Prozent in US-amerikanischen Unternehmen. Unabhängig von der Region verteilen sie sich gleichmäßig auf Firmen unterschiedlicher Größe, wobei 40 Prozent in Organisationen mit über 10.000 Mitarbeitenden beschäftigt sind.
In 80 Prozent der Firmen wird generative AI bereits genutzt
Ob eingebettet in Applikationen oder mit separaten Tools: Knapp ein Drittel der Befragten gibt an, dass die Mitarbeitenden im Unternehmen generative AI schon heute intensiv nutzen. Der größte Anteil – nämlich 48 Prozent – setzt künstliche Intelligenz zwar ein, aber bislang noch in begrenztem Umfang. Insgesamt zeigt die hohe Nutzungsrate von 80 Prozent: Generative AI ist in den Unternehmen angekommen.
Nach den grundsätzlichen Erwartungen an die neue Technologie gefragt, gehen 78 Prozent der befragten IT-Experten davon aus, dass Mitarbeitende durch den Einsatz von AI ihre Arbeit schneller erledigen werden. 47 Prozent zeigen sich überzeugt, dass sich durch AI auch die Qualität der Arbeit signifikant verbessern lässt.
Da die Unternehmen vor allem mit einer Steigerung der Effizienz durch AI rechnen, überrascht es nicht, dass es höchste Priorität hat, diese Möglichkeit auszuloten. In 42 Prozent der Firmen, in denen generative AI bereits intensiv genutzt wird, rangiert diese Aufgabe ganz oben auf der Liste. Für 33 Prozent ist es am wichtigsten zu ermitteln, wie sie AI in ihre angebotenen Produkte und Dienstleistungen integrieren können. Nur 21 Prozent räumen Fragen der Sicherheit und Ethik im Umgang mit künstlicher Intelligenz die höchste Priorität ein. Sowohl die Evaluierung des Einsatzes von AI bei Wettbewerbern als auch die Nutzung von AI für mehr Nachhaltigkeit spielt in den meisten Firmen eine untergeordnete Rolle.
Vor allem Bedenken zur Datensicherheit stehen der Nutzung generativer AI im Weg
In knapp der Hälfte der befragten Unternehmen wird generative künstliche Intelligenz aktuell noch nicht intensiv genutzt und 20 Prozent setzen sie noch gar nicht ein. Welche Gründe hindern die Firmen daran, die neue Technologie zu übernehmen? Mit 72 Prozent werden am häufigsten Risiken für die Datensicherheit genannt, gefolgt von der Unsicherheit über rechtliche Konsequenzen aus der Nutzung (59 Prozent). Knapp die Hälfte der Befragten sieht auch fehlendes Know-how der Mitarbeitenden im Umgang mit AI als Schwierigkeit. Ethische Bedenken oder zu hohe Kosten werden hingegen nur von 22 beziehungsweise 16 Prozent als Hürden genannt. Als andere Gründe werden mehrfach Skepsis über den aktuellen Nutzen der Technologie sowie das Fehlen konkreter Anwendungsfälle angegeben.
Zusammenfassend lassen sich die vorhandenen Hindernisse am besten als Unsicherheit und Unklarheit beschreiben. Offenbar begegnen die Unternehmen diesen Bedenken mit einem einfachen Mittel: Sie limitieren den Zugang oder die Nutzung künstlicher Intelligenz durch verschiedene Regeln. Das ist in 73 Prozent aller Firmen der Fall, in denen AI derzeit angewandt wird – ob bereits intensiv oder noch in geringerem Umfang.
AI-Nutzung nur über zugelassene SaaS-Anbieter und für definierte Aufgabenbereiche
Am häufigsten wird der Einsatz künstlicher Intelligenz in Unternehmen dadurch geregelt, dass nur AI-Modelle vorab geprüfter SaaS-Anbieter genutzt werden dürfen und/oder AI nur für bestimmte Aufgabenbereiche verwendet werden kann: Beide Restriktionen werden nahezu gleich häufig von der Hälfte der Befragten genannt, gefolgt von der Limitierung, dass AI in gut einem Drittel der Unternehmen nur bestimmten Nutzergruppen vorbehalten ist.
Umfassender Überblick über die Nutzung generativer AI ist Mangelware
Wie bereits gezeigt wurde, wird generative AI bereits von einer großen Mehrheit in irgendeiner Form genutzt, allerdings in drei Viertel der Unternehmen limitiert durch Regeln. Maßnahmen zur Einschränkung des Umgangs mit künstlicher Intelligenz gibt es also. Doch ein wirklich umfassender Überblick darüber, an welchen Stellen generative AI im Unternehmen eingesetzt wird, scheint zu fehlen. Obwohl 90 Prozent der IT-Experten genau diese Transparenz als wichtig oder sehr wichtig bewerten, existiert nur in 14 Prozent der befragten Firmen eine komplette Übersicht – eine bemerkenswerte Diskrepanz von Relevanz und Realität.
Das ist erstaunlich. Umso mehr, da die Mehrheit der hier befragten Unternehmen in Europa tätig ist, wo der beschlossene AI Act der Europäischen Union zur Regulierung von künstlicher Intelligenz in Kürze rechtskräftig wird. Dieser verlangt von Firmen eine genaue Auskunft über das Risikoniveau ihrer Anwendungsfälle und droht bei Unterlassung mit Strafen von bis zu 7 Prozent des gesamten jährlichen Umsatzes.4 Wie aber sollen diese Anwendungsfälle beschrieben werden, wenn man nur „teilweise“ einen Überblick darüber hat?
Schwierigkeiten bei der Erhebung von AI-Nutzungsdaten im Unternehmen
Knapp die Hälfte der Befragten gibt an, dass die IT-Abteilung beziehungsweise Enterprise Architekten die Informationen zur Nutzung generativer AI im Unternehmen erfassen. Alarmierend ist jedoch, dass in mehr als einem Drittel der Firmen die Zuständigkeit für die Nachverfolgung dieser Daten nicht klar ist oder sie erst gar nicht erhoben werden. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass es in Unternehmen an einer umfassenden Übersicht über den Einsatz generativer künstlicher Intelligenz mangelt.
Einhellige Meinung: Ohne ein Rahmenwerk für AI Governance geht es nicht
Die Notwendigkeit eines Rahmenwerks für AI Governance im Unternehmen wird von 97 Prozent der befragten IT-Experten bestätigt. Doch die wenigsten haben ein solches bereits implementiert (19 Prozent), wobei der Prozess in Organisationen mit mehr als 10.000 Mitarbeitenden etwas weiter fortgeschritten ist (32 Prozent). Insgesamt befinden sich aktuell 52 Prozent der Firmen in der Entwicklungsphase eines entsprechenden Frameworks. Allerdings gibt es mit 26 Prozent auch einen größeren Anteil an Befragten, die einräumen, dass ein Rahmenwerk für AI Governance zwar erforderlich sei, es in ihrem Unternehmen aber momentan keine Pläne dafür gäbe.
Zu einem ähnlichen Ergebnis wie der SAP LeanIX AI Survey kommt auch eine Untersuchung von McKinsey aus dem Jahr 2023, in der nur 21 Prozent der Befragten angeben, dass im Unternehmen bereits umfassende Richtlinien für die AI-Nutzung erstellt wurden.5
Unternehmen sind offenbar nicht gut auf AI-Regulierungen vorbereitet
Gartner prognostiziert, dass weltweit die Hälfte aller Regierungen bis zum Jahr 2026 den Einsatz verantwortungsvoller künstlicher Intelligenz regulieren wird.6 Am weitesten fortgeschritten ist die Europäische Union: Das Europäische Parlament hat im März 2024 dem EU AI Act zugestimmt, der zwei Jahre nach der offiziellen Veröffentlichung – die für diesen Sommer erwartet wird – vollständig in Kraft treten wird.7,8
Sind die Unternehmen auf die Einhaltung der bereits bekannten sowie der gerade entstehenden Vorschriften gut vorbereitet? Bemerkenswert: Fast 20 Prozent der befragten IT-Experten wissen das nicht. Von denen, die Auskunft geben können, verneint ein Drittel diese Frage komplett. Die Mehrheit von 52 Prozent fühlt sich zumindest teilweise gerüstet. Doch nur 15 Prozent bestätigen, auf die AI-Regulierungen in den Regionen vorbereitet zu sein, in denen das Unternehmen tätig ist.
Man sollte erwarten, dass sich Unternehmen, die bereits ein Rahmenwerk für AI Governance implementiert haben, gut auf die Einhaltung von AI-Vorschriften vorbereitet fühlen. Zwar liegt der Anteil der Zustimmung zu dieser Frage mit 36 Prozent deutlich höher als in Firmen, die sich bei der Entwicklung eigener AI-Richtlinien noch im Entstehungsprozess befinden (14 Prozent) oder die bislang noch gar keine Anstrengungen unternommen haben (2 Prozent). Allerdings gibt selbst in Firmen mit einem existenten Framework mehr als die Hälfte der Befragten an, nur teilweise auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften vorbereitet zu sein.
Fazit: Ohne Transparenz zur AI-Nutzung ist AI Governance nicht möglich
Drei Viertel der untersuchten Unternehmen, in denen AI in irgendeiner Form angewandt wird, haben verschiedene Regeln für die Nutzung künstlicher Intelligenz festgelegt. Fast genau so viele (71 Prozent) geben an, ein AI Governance Framework implementiert zu haben oder daran zu arbeiten. Doch trotz dieser Maßnahmen fühlen sich nur die wenigsten gut darauf vorbereitet, die bereits existenten und entstehenden gesetzlichen AI-Vorschriften einzuhalten. Woran liegt das?
Eine Ursache dafür mag die immer noch vorhandene Unklarheit über noch nicht definierte gesetzliche Vorgaben sein. Bedenkt man aber, dass zumindest in der Europäischen Union das kommende Regelwerk bereits ausgearbeitet und verabschiedet vorliegt und dass der überwiegende Teil der untersuchten Unternehmen in Europa tätig ist, kann das nur ein Teil der Wahrheit sein.
Sind die bisherigen Maßnahmen im Umgang mit generativer künstlicher Intelligenz also die falschen? Nicht unbedingt. Allerdings deckt die vorliegende Studie einen Missstand auf, der die Unsicherheit bei den Befragten erklären kann: Obwohl sich fast alle darin einig sind, dass ein umfassender Überblick über die Nutzung generativer AI im Unternehmen notwendig wäre, liegen diese Informationen fast nie komplett vor.
Dabei ist Transparenz die Grundvoraussetzung für die Entwicklung eines Rahmenwerks für AI Governance. Denn egal wie die gesetzlichen Bestimmungen letztlich aussehen werden, müssen Unternehmen auf jeden Fall verstehen, an welcher Stelle in der Organisation von wem in welcher Form künstliche Intelligenz genutzt wird. Dass diese Daten aktuell nicht umfassend erhoben werden, liegt auch daran, dass oft keine Klarheit über die Zuständigkeit dafür besteht.
Knapp die Hälfte der Befragten sieht schon jetzt die IT-Abteilung – und speziell die Enterprise Architekten – in der Pflicht. Als Spezialisten für die IT-Landschaft sind sie prädestiniert dafür, diese Informationen zur AI-Nutzung zu erfassen und bereitzustellen. Mit den richtigen Tools können sie zum Game Changer werden, indem sie einen verantwortungsvollen und rechtskonformen Einsatz künstlicher Intelligenz im Unternehmen ermöglichen.
Sources:
- https://www.forrester.com/blogs/spend-on-generative-ai-will-grow-36-annually-to-2030/
- https://venturebeat.com/ai/gartner-generative-ai-will-be-everywhere-so-strategize-now/
- https://www.idc.com/getdoc.jsp?containerId=prUS51366723
- https://www.forrester.com/blogs/explainability-is-necessary-for-ais-success/
- https://aimagazine.com/articles/mckinsey-study-confirms-how-much-generative-ai-has-exploded
- https://www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2024-02-29-ai-regulations-to-drive-responsible-ai-initiatives
- https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20240308IPR19015/artificial-intelligence-act-meps-adopt-landmark-law
- https://www.theverge.com/2023/12/14/24001919/eu-ai-act-foundation-models-regulation-data
LeanIX AI Survey 2024: Weitere Informationen zur Studie
LeanIX hat von Dezember 2023 bis Januar 2024 insgesamt 226 internationale Kunden online zum Einsatz generativer AI im Unternehmen befragt. Überwiegend arbeiten die Befragten in ihren Unternehmen als Enterprise Architekten und sind damit die Spezialisten für die IT-Landschaft ihrer Organisation. Die meisten Teilnehmenden der Studie kommen aus Europa (71 Prozent) und den USA (19 Prozent). Im Hinblick auf die Unternehmensgröße stellt sich die Stichprobe ausgewogen dar.
Unterschiedliche Fallzahlen in den Charts ergeben sich aus dem Ausschluss von Befragten, die zu einzelnen Punkten keine Angabe machen konnten/wollten. Für eine bessere Lesbarkeit werden die Ergebnisse in diesem Report mit Prozentwerten ohne Nachkommastellen dargestellt. Ergibt die Addition dieser Werte nicht exakt 100%, ist dies auf Rundungsdifferenzen zurückzuführen.